Ein Bauernhof mit Kühen, Esel, Hühnern, Wachteln und Esel
Der Untersillerhof im Stubaital liegt auf 1000 Höhenmetern und ist ein Bauernhof wie aus dem Bilderbuch. Die Kühe stehen auf der Weide, die Esel blöken, die Hasen hoppeln vor ihrem Stall im Gras. Die Hühner picken hinterm Haus und übers hohe Gras der Almwiesen streift der Wind. Die Sense lehnt zwar nicht neben der Haustür, sondern steht in der Scheune – sie ist aber das Mittel der Wahl, um die Berghänge zu mähen. Die meisten Wiesen hier sind zu steil, um mit Maschinen weiterzukommen, weshalb ein Teil der Arbeit auf Tiroler Bergbauernhöfen heute nicht viel anders aussieht als vor 100 Jahren. Und genau da komme ich ins Spiel. Weil es keine Knechte und Mägde mehr gibt, den Bergbauern aber nicht mehr Arme und Beine wachsen, setzen viele auf Freiwillige, die den Schreibtisch mit der Mistgabel tauschen. Oder so ähnlich. Als meine Jungs klein waren, haben wir jahrelang auf Bauernhöfen Urlaub gemacht, inzwischen muss ich meine Sehnsucht nach Landleben eben anders kompensieren.
Als Freiwillige Ferienhelferin ins Stubaital nach Tirol
Den Untersillerhof finde ich über die Homepage von „Freiwillig am Bauernhof“. Die Details kläre ich dann direkt mit meinem Gastgeber, dem Bio-Bauern und Familienvater Gerhard Siller am Telefon. Was ich unbedingt mitnehmen soll? Bergschuhe und Klamotten, die schmutzig werden dürfen. Eine Regenjacke. Lust auf Trubel und Draußensein. Und wenn ich mit dem Zug komme (ja), holt mich mein Gastgeber von der Busstation in Neustift ab. Mein erster Eindruck: Gerhard klingt nett. Und weil ich nicht nur auf dem Hof der Sillers mithelfen, sondern auch bei ihnen wohnen werde, finde ich das ziemlich beruhigend.

„Genug zu tun gibt’s immer. Dafür kann ich mir als Bauer selbst einteilen, was ich wann anpacke und wann ich Pause mache“ - Bio-Bauer Gerhard Siller
Meine erste Aufgabe: Die Wiese mähen
Sich an der Bushaltestelle zu erkennen ist einfach: Es gibt nur einen, der wartet, und nur eine, die aussteigt. Auf dem Hof angekommen führt mich Gerhard erst mal rum. Die meisten Kühe sind gerade auf der Alm, um die Laufenten und die Hühner kümmert sich der Opa, lediglich bei den Wachteln wird es kompliziert: Es gibt Küken, die sind im Kinderzimmer untergebracht. Die jugendlichen Wachteln wohnen im Stall ganz links und die Ausgewachsenen irgendwo in der Mitte, da gibt es die „Esels-“ und die „Brutwachteln“. Ich nicke, weil ich es ja doch nicht verstehe und mir Gerhard verspricht, dass man nichts falsch machen kann, „solange du den Küken ihr Futter gibst und den großen Wachteln das Futter für die großen Wachteln“. Okay. Meine erste Aufgabe ist zum Glück übersichtlich – auch für eine Stadtpflanze wie mich: Ich soll den Rasen mähen und das Gras gerecht zwischen Hühnern, Wachteln und Hasen aufteilen. Das ist anstrengender, als es klingt, weil es sich nicht um einen kleinen Vorstadtgarten handelt, sondern um eine große Bauernhofwiese, die – wir sind in Tirol – am Hang liegt. Also Rasenmäher raufschieben und gut festhalten beim Runterfahren. Die Sonne scheint, es ist knallheiß, zum Glück habe ich einen Strohhut dabei. Wie es ist, mit der Sense eine Almwiese zu mähen, die noch viel steiler ist, will ich mir lieber nicht vorstellen.

Die Bäuerin braucht Unterstützung nach einer Operation
Nach einer Stunde Arbeit wartet zur Belohnung die Marende auf mich, so heißt in Tirol die Brotzeit am Nachmittag. Inzwischen ist auch der Rest der Familie eingetroffen: die drei Kinder Alina, Mona und Simon. Ihre Mutter Anita sieht viel schicker aus, als ich mir eine Bergbäuerin vorgestellt habe – und auch ein wenig blasser. Ich erfahre, dass sie vor einer Woche im Krankenhaus war und sich daher schonen muss. „Fiese Bauch-OP“, erklärt die gelernte Krankenschwester. „Deshalb bin ich froh, dass du da bist“, begrüßt sie mich, „und dich um meine Wachteln kümmerst. Dass du die Eier von den ‚Esels-‘ und ‚Brutwachteln‘ separat sammeln musst, hat dir Gerhard gesagt?“ Ich schaue so fragend, dass sich Alina erbarmt: „Ich komme mit und zeige dir alles noch mal in Ruhe. Der Papa kümmert sich besser um die Kühe“, grinst sie.
Die Wachteln füttern und ihre Eier einsammeln
„Bei den Küken ist wichtig, dass sie dir nicht entwischen“, erklärt Alina, „sonst musst du sie wieder einfangen.“ Sie bekommen frisches Wasser und ihr Futter. Dann schnell wieder die Tür schließen, weil es kleine Wachteln gern warm haben. Erst beim Rundgang mit Alina verstehe ich das Wachtel-System: Die „Hühnerwachteln“ heißen so, weil ihr Stall neben dem der Hühner ist. Das sind die Jugendlichen, die sich über mein Gras gefreut haben und sich gern unter Ästen oder hinter Steinen verstecken. Die „Eselswachteln“ sind ein paar Wochen älter, wohnen neben dem Stall der Esel und legen Eier, die sich aber noch nicht ausbrüten lassen. Die „Brutwachteln“ haben den schönsten und größten Stall – mit Brutplätzen und Außenvoliere. Ungefähr 600 Vögel sind es insgesamt. Alina und ich füttern, kontrollieren, dass die Wasserbrunnen nicht verstopft sind, und sammeln Wachteleier: unter Zweigen, in Nestern oder Bruthöhlen, versteckt neben Pflanzen und Futterschüsseln. Vier oder fünf Schachteln à 18 Eier füllen wir, das scheint mir viel Arbeit für gar nicht so viel Ertrag. Ich nehme mir vor, meinen Frühstückseiern künftig mehr Respekt zu zollen.

Die Arbeit auf dem Bauernhof ist ein Knochenjob
Nachdem ich mich noch um die Hasen gekümmert habe (die kriegen ein bisschen Salat und Gemüse und müssen vom Freilauf ins Hasenhaus), ist meine Arbeit für heute erledigt. Ich erkunde den Badesee, den ich von meinem Balkon aus entdeckt habe, hole mir ein Radler aus dem Kühlschrank meiner Gastgeber und ruhe mich ein bisschen auf meinem Zimmer aus, das genauso einladend ist wie der Rest dieses idyllischen Hofs. Doch ich weiß natürlich, dass es auf den meisten Bauernhöfen anders aussieht. Da gibt es nicht 15, sondern ein paar hundert Kühe und nicht 600, sondern mindestens 6000 Wachteln, die viel weniger Platz und Zuwendung bekommen. Deshalb stehen kleine Bio- oder Bergbauernhöfe (der Untersillerhof ist beides) gleich auf mehreren Standbeinen: Sie haben Tiere, pflegen aber auch Almwiesen (die sie übrigens nur zu bestimmten Zeiten mähen dürfen) und bekommen dafür Geld vom Staat. Und viele vermieten Ferienwohnungen oder Fremdenzimmer.
Frühstück um 7 Uhr, dann geht’s in den Stall zum Ausmisten
Diese Nacht schlafe ich wie ein Baby. Morgens ignoriere ich den Hahn, nicht aber den Handywecker, schließlich haben meine Gastgeber angekündigt: „Gefrühstückt wird um sieben, nach der Stallrunde, vor dem Schulbus.“ Ein Glück, dass weder Wachteln noch Hasen gemolken werden müssen und Gerhard die Kühe übernimmt. Ich sammle wieder ein paar Wachteleier und verspeise zwei davon andächtig zum Kaffee. Dann wartet zum ersten Mal richtige Bauernhofarbeit auf mich. Ich miste den Stall der „Brutwachteln“ aus. Dafür versorgt mich Gerhard mit allerhand Werkzeug: Schaufeln, Spateln, Schabern und einer Schubkarre – irgendwie muss der Mist ja auf den Misthaufen. „Probier einfach aus, was für dich am besten funktioniert. Wichtig ist nur, dass du zuerst die Vögel ins Außengehege scheuchst, damit sie dir beim Schrubben nicht zwischen den Beinen wuseln.“ Die meisten Wachteln sind einsichtig, lediglich zwei muss ich einfangen und übers Absperrbrett heben.

Ein Lob von der Bäuerin und die Arbeit fühlt sich an wie ein bisschen Urlaub
Nachdem ich den Stall leer geräumt habe, hole ich Handy und Kopfhörer. Das hier wird eine längere Aktion, die mit Musik leichter von der Hand geht. Denn so niedlich und zutraulich Wachteln sind, sie tun den ganzen Tag nichts anderes als fressen und na ja … Sechs große Schubkarren Wachtelmist fahre ich weg, zwei Schubkarren mit frischem Stroh verteile ich nach vier Stunden Schrubben im picobello sauberen Stall. Die Vögel sind nur mäßig beeindruckt, Anita umso mehr: „So schön ist der Stall sonst nur, wenn ich ihn putze!“ Sie schickt mich unter die Dusche und anschließend auf den Neustifter Besinnungsweg, der hinter dem Bauernhof startet. „Wenn du schon mal im Stubaital bist, musst du auch wandern. Hauptsache, du bist zur Marende wieder da.“ Nach rund zwei Stunden im Pinnistal bin ich nicht nur pünktlich zur Brotzeit wieder am Bauernhof, sondern auch hochbeglückt, weil sich meine Arbeit heute – trotz Wachtelmist – ganz und gar wie Urlaub angefühlt hat. In den nächsten Tagen stecke ich einen neuen Weidezaun für die Kühe ab und säe Gras und Bockshornklee auf der abgeweideten Wiese. Ich mähe ein kleines Stück Almwiese mit der Sense, einfach, weil ich es mal ausprobieren will. Doch tatsächlich muss sie noch zwei Wochen wachsen und blühen, bevor man das Heu ernten darf. Heidi und Liesl, die Esel, führe ich morgens auf die Koppel und abends zurück in den Stall. Und Gerhard helfe ich, die Kühe zum Melken zu treiben – was ziemlich einfach ist, weil sie den Weg kennen und ohnehin selbst finden. Aber mein mit Abstand großartigstes Bauernhoferlebnis ist, zusammen mit Anita die 100 kuscheligen Wachtelküken vom kleinen in den großen Käfig zu heben, den ich anschließend – Ehrensache – putze. Kurz habe ich schon überlegt, ob ich nicht zwei oder drei dieser winzigen, flauschigen Wesen auf meinem Stadtbalkon halten soll, um meine Sehnsucht nach dem Landleben etwas zu stillen. Ich hab’s dann doch gelassen. Vielleicht komme ich lieber einfach nächsten Sommer auf den Untersillerhof zurück.

„So sauber ist der Wachtelstall sonst nur, wenn ich ihn selbst putze. Das gibt zehn von zehn Punkten“ - Bergbäuerin Anita Siller
Wo kann ich im Urlaub mithelfen?
Kühen Heu hinwerfen, Löwenzahn für die Hasen sammeln – auf einem Bauernhof gibt es immer was zu tun. Wer aber richtig mit anpacken will, sollte Lust auf schweißtreibende Arbeit haben: Almwiesen mit der Sense mähen, Kuhställe ausmisten, Käse selbst machen oder im Weinberg Trauben lesen. Dafür gibt es zwar kein Geld, aber freie Kost und Logis. Man kann ein paar Tage oder gleich mehrere Wochen mithelfen – das hängt auch von der jeweiligen Einsatzstelle ab.
„Freiwillig am Bauernhof“
ist ein Projekt des österreichischen Maschinenrings, der Bergbauern in Tirol, Vorarlberg und der Steiermark mit naturbegeisterten Menschen zusammenbringt. Im Online-Formular gibt man an, worauf man Lust hat – von der Kinderbetreuung bis Heu- oder Holzarbeit steht hier einiges zur Auswahl. www.maschinenring.at/freiwillig-am-bauernhof
Südtiroler Bergbauern
Seit 1996 vermittelt www.bergbauernhilfe.it freiwillige Helfer. Auch hier füllt man erst ein Online-Formular aus. Dann wird man angerufen und kann den Einsatzort wählen.
Bio-Bauernhöfe in Deutschland und dem Rest der Welt
Bio-Bauernhöfe die freiwillige Helfer suchen, sind unter https://wwoof.de zu finden: Mit mehr als 6000 Höfen in 100 Ländern ist hier die Auswahl am größten. Und man kann bei der Suche auch gleich angeben, ob man lieber vegan, vegetarisch oder mit Fleisch essen will.


