Jetzt ist es wieder Zeit, ans Immunsystem zu denken! Dabei unterstützt uns der 6-Punkte-Plan, über den uns Immun-Experte Prof. Lothar Rink im Interview mehr verrät.
Interview mit dem Immun-Experten
Herr Professor Rink, ein intaktes Immunsystem schützt vor Krankheiten. Wie macht es das?
RINK: Das Immunsystem besteht aus verschiedenen Zellen und so genannten "löslichen" Faktoren – Substanzen, die Krankheitserreger abwehren. Wenn die Erreger die natürlichen Barrieren des Körpers wie die Haut oder die Schleimhäute überwinden, sorgen die Immunzellen dafür, dass sie unschädlich gemacht werden und sich nicht vermehren.
Wie kann man sein Immunsystem stärken?
RINK: Einen positiven Einfluss auf die Abwehrkräfte haben Bewegung und Sport. Daher sind wir auch im Winter anfälliger für Krankheiten, weil wir bei schlechtem Wetter nicht so viel rausgehen und uns nicht so viel bewegen. Über den Lymphstrom werden Antigene zu den Lymphknoten transportiert, wo die Immunzellen auf die Erreger treffen. Aber erst durch Muskelbewegungen kann die Lymphflüssigkeit abtransportiert werden. Daher sollten Sie sich mindestens eine halbe Stunde am Tag bewegen. Spazierengehen genügt. Oder Sie machen zwei- bis dreimal die Woche ein moderates Training: Schwimmen, Radfahren oder Joggen.
Und wie steht es mit der Ernährung?
RINK: Das Immunsystem ist ein dynamisches System, dem man alle Bausteine zuführen muss. Wir brauchen Lipide, Vitamine und Proteine. Aber Vorsicht: Viel hilft nicht viel. Man muss sich ausgewogen ernähren. Sowohl Diäten als auch Adipositas sind schlecht fürs Immunsystem. Wichtig ist: auch im Winter genügend Flüssigkeit. Denn wenn die Schleimhäute austrocknen, können leicht Erreger eindringen. Und keine Wasserfilter verwenden, sie entziehen dem Wasser alle Spurenelemente.
Wie wichtig ist Schlaf fürs Immunsystem?
RINK: Das Immunsystem fährt gegen Abend herunter und regeneriert sich im Schlaf. Schlafdefizit schadet dem Immunsystem. Die meisten Menschen brauchen etwa acht Stunden Schlaf. Wichtig zu wissen: Schlaf kann man nicht nachholen. Wenn man beispielsweise in der Woche immer nur drei Stunden schläft, kann man das nicht am Wochenende wieder gutmachen.
Welche Rolle spielt Stress – auch kurzzeitiger?
RINK: Gar keinen Stress zu haben, ist nicht möglich. Kritisch ist Dauerstress. Denn der Körper schüttet vermehrt Kortison aus, was das Immunsystem unterdrückt. Die Form des Stresses – psychischer Stress oder zu viel Sport – spielt keine Rolle. In der Regel muss das Immunsystem im Ruhezustand sein. Kurzzeitiger Stress ist sogar gut, der Adrenalinstoß bewirkt eine Reaktion von 0 auf 100. Das Immunsystem ist ein 100-Meter-Sprinter, kein Marathonläufer. Es kann nicht dauerhaft aktiv sein, sonst läuft es aus dem Ruder, dann drohen Allergien oder Autoimmun-Erkrankungen.
Und sollte man sich in Herbst und Winter öfter die Hände waschen?
RINK: In Maßen ist Hygiene sicher wichtig. Aber hierzulande wird damit übertrieben. Wenn man sich zu viel wäscht, geht die Schutzschicht der Haut verloren, die antibakterielle Substanzen erhält. Dadurch können Erreger schneller eindringen. Wer keimfrei lebt, bekommt Allergien, denn das Immunsystem ist darauf getrimmt, dass Erreger von außen eindringen. Sonst sucht es sich selbst angebliche Feinde.
Bekommt das Immunsystem im Herbst und Winter eigentlich genug Licht?
RINK: Der Körper braucht Vitamin D. Um genug davon zu bilden, reicht in unseren Breiten ein halbstündiger Spaziergang bei Tageslicht aus. Fehlt Vitamin D, kann das in der dunklen Jahreszeit mitverantwortlich für den Ausbruch von Erkältungen oder Stimmungstiefs sein. Die Psyche und das Immunsystem hängen direkt zusammen. Wenn wir ausgeglichen sind, ist es unser Immunsystem auch.
Buchtipp: Prof. Dr. Lothar Rink ist Direktor des Instituts für Immunologie der Uniklinik Aachen. Sein Buch: Lothar Rink, Andrea Kruse, Hajo Haase: Immunologie für Einsteiger. Springer Spektrum, 39,99 Euro.
Auf einen Blick:
Der 6-Punkte-Plan fürs Immunsystem
- Bewegung & Sport
- Gesunde Ernährung & ausreichend Flüssigkeit
- Gute Schlafhygiene
- Ausgewogenes Stressmanagement
- Sinnvolle Hygiene
- Ausreichend Sonnenlicht
Auch diese Dinge stärken Ihr Immunsystem
- Der Wechsel von Hitze und Kälte: Wechselduschen, Dampfbäder oder Saunagänge halten die Abwehrkräfte fit. Auch regt der Warm-Kalt-Mix die Durchblutung an. Das sorgt für einen ausgeglichenen Stoffwechsel und eine bessere Sauerstoffaufnahme. Auch wichtig dafür: regelmäßig draußen an der frischen Luft aufhalten!
- Gute Freunde: Ein funktionierendes soziales Umfeld kann das Immunsystem stärken, wie Studien zeigen. Der Austausch und die Kommunikation mit anderen Menschen gibt Nähe, Unterstützung, Vertrauen und vermittelt Zugehörigkeit – kurzum ein gutes Gefühl, das vor Stress schützt. Dabei ist es nebensächlich, wie groß das soziale Netzwerk ist.
- Gesunder Darm: 70 bis 80 Prozent der Immunzellen befinden sich im Darm. Seine Gesundheit ist deshalb entscheidend für die Immunabwehr. Ballaststoffreiche Ernährung mit viel Gemüse, fermentierte Lebensmittel oder probiotische Produkte können das Darm-Mikrobiom unterstützen und damit die Abwehrkräfte stärken. Schlecht sind hochverarbeitete Produkte und Zucker.
- Achtsamkeit: Kurze Meditationen, Atemübungen oder kleine Pausen im Alltag reduzieren Stresshormone und fördern ein ausgeglichenes Immunsystem. Auch kleine Rituale wie die Tasse Tee am Abend, ein heißes Bad vor dem Schlafengehen oder 20 Minuten Yoga in der Mittagspause helfen beim Runterkommen.

