Warum haben wir im Frühjahr bessere Laune und was können wir noch für unsere Stimmung tun? Antworten auf die spannendsten Fragen.

Der Hormonbiologe Prof. Alexander Lerchl über Frühlingsgefühle, die Macht des Wetters und warum Männer einen kleinen Vorteil haben.

Im Frühling steigt die Laune.

Lerchl: Dass Frühlingsgefühle real sind und keine Einbildung, bestätigen Untersuchungen immer wieder, weil wir uns jetzt vom Winter erholen. Es ist länger hell, das wirkt sich positiv auf die Psyche aus. Es wird wärmer und die Mäntel kürzer. Wir packen uns nicht mehr so dick ein, zeigen mehr Haut – und das macht natürlich was: mit uns und unseren Mitmenschen.

Die Hormone spielen verrückt?

Lerchl:Genau. Melatonin fördert den Schlaf und wird in der Nacht produziert. Weil es im Winter länger dunkel ist, haben wir mehr Melatonin im Körper – auch tagsüber. Deshalb fühlen wir uns schlapper und schläfriger. Im Frühling verringern sich diese Werte und der Gegenspieler übernimmt die Regentschaft: Durch das Sonnenlicht wird vermehrt das Glückshormon Serotonin produziert. Wir sind aktiver, wacher, fröhlicher.

Warum ist das so?

Lerchl:Ein Blick in die Natur erklärt das ganz gut. Tiere bekommen ihre Jungen so, dass sie die besten Überlebenschancen haben. Deshalb sind kleine Tiere mit einer kurzen Tragezeit im Frühjahr sexuell besonders aktiv: Damit der Nachwuchs im Sommer zur Welt kommt. Tiere mit langen Tragezeiten pflanzen sich im Herbst fort, damit die Babys im Frühjahr geboren werden. Tatsächlich gab es diesen Rhythmus auch bei Menschen – bis Mitte der 70er Jahre ist er nachweisbar. Die meisten Kinder wurden im Wonnemonat Mai gezeugt.

Veronika, der Lenz ist da?

Lerchl: Der männliche Testosteronspiegel schwankt im Rhythmus der Jahreszeiten, er ist im Frühling und Sommer höher als im Herbst und Winter.

Männer haben mehr Frühlingsgefühle als Frauen?

Lerchl: Zumindest sind sie besser messbar. Je mehr Testosteron im Blut ist, desto aktiver sind Männer. Banal, aber wahr.

Inzwischen werden die meisten Kinder im Dezember gezeugt…

Lerchl:Weil der biologische vom sozialen Rhythmus abgelöst wurde. Wir machen es uns im Winter drinnen gemütlich und kuscheln, was mitunter zu Schwangerschaften führt. Man hat mehr Zeit, vor allem in Corona-Monaten mit Ausgangssperren. Ich bin überzeugt, dass sich das auf die Geburtenstatistik auswirkt.

Viele haben den Lockdown im Frühling besser verkraftet als den im Winter. Auch eine Folge von Frühlingsgefühlen?

Lerchl: Im Frühjahr 2020 kamen zwei Dinge zusammen: die Hoffnung auf Lockerungen und mehr Licht durch die Jahreszeit. Dadurch fühlten wir uns fast noch besser als sonst im Frühling. Weil wir das Rausgehen wie ein Geschenk empfanden und auf einmal merkten, wie gut uns das tut. Den Winter danach haben wir als schwere Zeit erlebt – mit vielen Einschränkungen, die Angst gemacht haben. Der Frühling schien viel zu weit weg, als dass man sich darauf hätte freuen können. Das hat vielen zu schaffen gemacht.

Wie kann man Frühlingsgefühle verstärken?

Lerchl: Sport hellt die Stimmung auf, weil Glückshormone ausgeschüttet werden – vor allem am Morgen, wenn es hell wird. Auch Spaziergänge bei Tageslicht – und Sonnenschein – fördern Frühlingsgefühle, während gleichzeitig Stresshormone reduziert werden. Kaum jemand schafft es, schlecht gelaunt durch einen strahlend schönen Tag zu gehen.

Wer profitiert von dieser Frühlings-Hormon-Dusche

Lerchl: Alle, weil natürlich auch ältere Menschen Frühlingsgefühle haben. Sie müssen ihnen vielleicht mit ein bisschen mehr Bewegung im Freien nachhelfen. Doch da sind Senioren oft sogar im Vorteil, weil sie nicht so lange in der Arbeit oder im Homeoffice sitzen, was unseren ohnehin chronischen Vitamin-D-Mangel verstärkt. Denn Vitamin D, das der Körper bei Sonnenlicht bildet, ist ein wichtiger Nährstoff für Frühlingsgefühle.

Und wenn die Frühlingsgefühle nicht kommen wollen?

Lerchl: Das passiert, wenn Menschen die Frühlingsgefühle zwar spüren, aber genau wissen, dass sie an ihrer Lebenssituation gerade nichts ändern. Dann ergibt sich manchmal ein Umkehreffekt und sie werden traurig. Zum Glück ist das die Ausnahme. Für die allermeisten Menschen sind Frühlingsgefühle etwas Schönes.

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