Die Münchnerin Michaela May ist eine der beliebtesten Schauspielerinnen Deutschlands. Unser Autor Rüdiger Sturm hat sie zum Interview getroffen.

Wir kennen sie fröhlich, lachend, zupackend. In ihrer Biografie macht die 70-Jährige zum ersten Mal auch die Tragödien öffentlich, die ihr Leben neben allem Guten geprägt haben.

Sie haben Ihre Autobiografie „Hinter dem Lächeln“ mittlerweile auf zahlreichen Lesungen vorgestellt. Welche Reaktion des Publikums hat Sie am meisten überrascht?
MAY In meinem Buch schreibe ich ausführlich über die Selbsttötung meiner drei Geschwister. Bis zur Veröffent­lichung hatte ich darüber nie gesprochen. Umso mehr erstaunt mich, wie viele Menschen mir beim Signieren erzählen, dass sie ebenfalls einen lieben Menschen durch Suizid verloren haben. Und sie bedanken sich bei mir für meine Haltung, dass man sich trotz aller Tragik freuen und eine schöne Zeit haben kann. Das berührt mich sehr. Ich habe nicht erwartet, dass ich mit meinem Buch anderen helfen kann. Das größte Kompliment ist, wenn mir jemand sagt: „Ich gehe so leicht aus Ihrem Buch heraus.“

Was ist für Sie die Grundbotschaft Ihrer Biografie?
MAY In meinen Widmungen schreibe ich gern: „Genieße den Augenblick!“ Das ist der wichtigste Satz meines Buches: Auch wenn du schlimme Dinge erlebt hast – und natürlich trägt jeder Mensch seinen Rucksack –, nützt es nichts, in Selbstmitleid zu versinken und Wunden immer wieder aufzukratzen. Die Verluste und Probleme werden bleiben, daran lässt sich nichts ändern. Aber man muss sie irgendwann zur Seite legen und Herz, Augen und Ohren wieder freimachen, um den Moment erleben und genießen zu können. Sonst verpasst man die Chance, das Glück neu zu entdecken – in der Natur, bei wildfremden Menschen, die einem zulachen, oder einem schönen Telefonat. Es gibt so viele Dinge, die das Leben lebenswert machen. Aber man muss auch etwas dafür tun. Darf sich nicht einfach verkriechen, sondern muss den Mut haben, in die Welt hinauszugehen. Dafür sollte man sich die Gegenwart anschauen und nicht zu viel in die Zukunft projizieren.

„Jetzt sind wir stark!“

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Was war denn Ihr persönlicher Glücksmoment in letzter Zeit?
MAY Warm duschen heute früh in meiner Münchner Wohnung! Ich war davor vier Tage für die Welthungerhilfe in Kenia, fließend Warmwasser gibt es da nicht immer. Es sind oft die kleinen Dinge und Erlebnisse, die glücklich machen.

Glauben Sie an Schicksal?
MAY Nicht an das Schicksal, das von außen kommt wie eine gute oder böse Macht. Ich denke eher, dass wir mit unseren Schwingungen beeinflussen können, was auf uns zukommt.

Wonach suchen Sie im Leben?
MAY Nach Erfüllung. Das hat mich mein Leben lang angetrieben, ob ich mit meinen Kindern und Enkeln zusammen bin oder im Beruf. Dabei gibt es aber keinen Punkt, an dem ich denke: Jetzt habe ich das absolute Glück gefunden. Ich will nicht rasten, sondern mich stattdessen von meiner Neugier weitertreiben lassen, forschen und nach vorne schauen. Meine Augen und mein Herz sind offen für Neues. Immer.

Auch privat. 2004 haben Sie sich von Ihrem ersten Mann getrennt, als Sie den Regisseur Bernd Schadewald kennenlernten.
MAY Ich bin immer meinem Bauch gefolgt. Natürlich tut eine Trennung weh, aber letztlich überträgt sich das Glücksgefühl, das man empfindet, auf andere. Das haben auch meine Töchter irgendwann nachvollziehen können. Inzwischen sagen sie zu mir: „Wir verstehen, warum du so gehandelt hast, denn du bist glücklich.

Wie wichtig ist eine erfüllte Beziehung für das Lebensglück?
MAY Natürlich ist es ein Glück, wenn man einen Partner hat, den man liebt und der diese Liebe erwidert. Gerade in Zeiten, in denen man derart ein­gesperrt war. Aber ich kenne auch Frauen, die ihre Männer verloren oder ihre Beziehung beendet haben. Die haben andere Dinge gefunden, die sie glücklich machen – einen guten Freundeskreis, Reisen, eine Beschäftigung, die sie erfüllt.

Und ganz konkret Ihr Mann – was schätzen Sie an ihm?
MAY Mein Mann sprudelt nur so vor Fantasie. Er ist ein Überraschungskünstler, nimmt mich oft mit zu neuen Ideen. Zum Beispiel wenn es darum geht, Geschichten zu schreiben. Das hält mich jung.

Sie arbeiten auch beruflich zusammen, aktuell in Hamburg, wo Ihr Mann das Theaterstück „Der Sittich“ inszeniert hat (noch bis zum 26. Februar im „Winterhuder Fährhaus“). Was ist, wenn er als Regisseur eine Idee hat, mit der Sie nicht einverstanden sind?
MAY Natürlich gibt es auch unterschiedliche Auffassungen. Aber ich kann mich zur Wehr setzen. Wir kriegen das immer hin. Entweder überzeugt er mich oder ich ihn. Es geht ja nicht darum, wer stärker ist, sondern einen Weg zu finden, der für beide passt. Das ist ein Geben und Nehmen und geht nun mal nicht ohne Reibung. Aber genau diese Diskussion macht es doch interessant – im Job und in der Beziehung.
Privat ist es aber harmonisch?
MAY Ich bin unter der Sonne geboren und versuche, stets das Positive zu sehen. Selbst in schlechten Situationen sehe ich den kleinen goldenen Faden. Diese Haltung will ich an meine Familie weitergeben.

Sie praktizieren seit Jahren Yoga. Hilft das beim Runterkommen?
MAY Es ist für mich eine gute Möglichkeit, abzuschalten, den Geist freizukriegen, loszulassen und beweglich zu bleiben.

Haben Sie ein Urvertrauen?
MAY Ich glaube in erster Linie an mich selbst. Mit meinem Bauchgefühl bin ich immer gut gefahren. Natürlich mache auch ich Fehler, aber unterm Strich war es stets richtig, auf mich zu hören. Im Endeffekt haben mich meine Entscheidungen weitergebracht. Wenn ich dachte, ich komme in eine Sackgasse, habe ich versucht, einen anderen Weg zu nehmen, ohne zu wissen, was kommt.

Am Ende Ihrer Autobiografie zitieren Sie Vincent van Gogh: „Eines Tages wird uns der Tod zu einem anderen Stern bringen.“
MAY Ich finde es eine tröstliche Aussicht und halte es für eine Möglichkeit, dass es vielleicht auf einem anderen Stern noch ein Leben für uns gibt.

BUCHTIPP

„Hinter dem Lächeln“, erschienen bei Piper, ab 22 Euro.

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