Wer Arzt-Serien liebt, hat am Dienstagabend einen festen Fernseh-Termin. Denn dann läuft um 21 Uhr in der ARD der Dauerbrenner „In aller Freundschaft“. Thomas Rühmann ist von Anfang an dabei.
Nein, mit dem berühmten Heinz Rühmann, den wir alle aus der „Feuerzangenbowle“ kennen, ist er nicht verwandt. Zwar heißt der Vater von Thomas Rühmann auch Heinz – eigentlich Heinrich –, war aber kein Schauspieler, sondern ein Historiker und Pädagoge. Und sein Sohn Thomas ist eher durch einen Zufall zur Schauspielerei gekommen.
Seit 1998 stehen Sie nun als Dr. Roland Heilmann in der Serie „In aller Freundschaft“ vor der Kamera. Hand aufs Herz: Finden Sie so viel Kontinuität gut?
RÜHMANN: Ich brauche sie geradezu, das liegt wohl in meinem Naturell. Anders als bei vielen anderen Kollegen, die im Laufe der Jahre aus der Serie ausgestiegen sind.
Besteht keine Gefahr, dass Ihre Rolle zur Routine wird?
RÜHMANN: Vielleicht blitzt sie manchmal durch. Aber selten, weil ich in diesen 24 Jahren ja so ziemlich alles ausprobieren konnte, was man als Schauspieler spielen kann. Dr. Heilmann hat sich immer wieder neu erfunden, die Figur wurde in so viele unterschiedliche Situationen getaucht: als Vater, Großvater, Witwer. Er hat sich verliebt und entliebt, ist mit einem Flugzeug abgestürzt und überstand eine Krebserkrankung. Auch seine Position in der Klinik hat sich immer wieder verändert. Da wird so schnell nichts langweilig. Wir probieren ständig neue, moderne Entwicklungslinien aus.
Wussten Sie, auf was Sie sich einlassen, als Sie 1998 Ihren Vertrag beim MDR unterschrieben?
RÜHMANN: Nein, überhaupt nicht. Keiner hätte damals vorhersagen können, wie erfolgreich die Serie mal wird und wie lange sie läuft. Es gab damals ja noch viel mehr Konkurrenz durch andere Arzt-Serien.
Was hat Sie an der Serie und Ihrer Rolle gereizt?
RÜHMANN: Ich habe damals am Ost-Berliner Gorki-Theater gespielt, bis der erste Intendant aus dem Westen kam und ich entlassen wurde. Durch die Wende hat sich nicht nur meine Welt verändert. Gerade noch war ich festangestellter DDR-Schauspieler, auf einmal bin ich in dieser neuen Gesellschaft gelandet mit all dem Auf und Ab eines freischaffenden Künstlers. Ich hatte eine Familie zu ernähren, musste umdenken und mutiger agieren. Das Angebot für „In aller Freundschaft“ kam genau zur richtigen Zeit.
Hatten Sie Angst vor der Zukunft?
RÜHMANN: Ich bin damals eben Klinken putzen gegangen, durch die neue Republik gereist, um mich in Besetzungsbüros vorzustellen. Das ist mir nicht immer so leicht gefallen, hat sich letztendlich aber gelohnt. Interessanterweise haben mich oft die Menschen, mit denen ich tolle Gespräche hatte, nicht besetzt, während die, die vor lauter Arbeit kaum Zeit hatten, mich zu Vorsprechterminen eingeladen haben.
Kindheit mit sechs Geschwistern
Kratzt es nicht am Ego, wenn man nach einer erfolgreichen Karriere neu anfangen muss?
RÜHMANN: Ich bin mit fünf Schwestern und einem Bruder aufgewachsen. Da erfindet man sich automatisch immer wieder neu und kommt gar nicht erst auf die Idee, Starallüren zu entwickeln. Eine zu große Klappe wird sofort wieder durch die Familie reguliert.
Sechs Geschwister — das klingt ziemlich anstrengend.
RÜHMANN: Unter uns lebte eine Familie mit 13 Kindern. Im Vergleich dazu war es bei uns echt entspannt. Ich habe meine Kindheit als sehr glücklich erlebt. Heute weiß ich natürlich, dass es für unsere Eltern nicht immer einfach war, sich täglich mit der Situation des Mangels auseinanderzusetzen. Fürs Broteinkaufen war ich zuständig. Jeden Tag zwei Kilo. Und am Abend waren die alle.
Was aus diesem Leben haben Sie denn für Ihren Beruf als Schauspieler mitgenommen?
RÜHMANN: Das Gefühl für Gemeinschaft prägt meine Berufsauffassung, Starkult hat da keinen Platz. Am Set wie im Theater geht es darum, sich zusammenzuschließen und gemeinsam etwas zu erschaffen, gute Unterhaltung oder große Theaterkunst. Natürlich weiß ich, was ich will, und bin darin auch sehr bestimmt, aber ich halte den Ball flach.
Sie haben ursprünglich Journalismus studiert und sind dann eher zufällig beim Theater gelandet. Wie kam es dazu?
RÜHMANN: Tatsächlich hat mich ein Freund in ein Amateurtheater mitgenommen, und weil dort einer der Schauspieler ausgefallen ist, bin ich eingesprungen. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich mich kurz darauf in Berlin an der Hochschule für Schauspielkunst beworben habe – und genommen wurde.
Seit 1998 sind Sie auch Chef Ihres eigenen „Theaters am Rand“ im Oderbruch.
RÜHMANN: Ich hatte immer das Bedürfnis, auch selbstbestimmte Projekte zu realisieren, die aus meinem Herzen und meinem Bauch kommen. Meist etwas mit Literatur oder Musik. Immer nur „In aller Freundschaft“ – ich glaube, da hätte mir etwas gefehlt. Ich wäre heute nicht so fröhlich und ausgeglichen, wie ich es bin. Das „Theater am Rand“ ist meine künstlerische Heimat, wo ich ausprobieren und umsetzen kann, was mir einfällt oder mir an Lektüre über den Weg läuft.
Ein eigenes Theater
Der Titel Ihrer Serie passt auch ganz gut zu Ihrem Theater. Sie führen es gemeinsam mit Ihrem Freund und Künstlerkollegen Tobias Morgenstern.
RÜHMANN: Im Moment ist das leider nicht so einfach. Während Corona haben wir uns auseinanderdividiert. Unsere Ansichten zur Pandemie waren zu unterschiedlich, irgendwann war kein vernünftiges Gespräch mehr möglich. Immerhin, die berufliche Balance kriegen wir hin, sodass wir das Theater weiterhin gemeinsam betreiben. Ich hoffe sehr und glaube auch fest daran, dass dieser Riss wieder heilt.
Wie wichtig sind Ihnen Freunde?
RÜHMANN: Leider bin ich nicht gut darin, Freundschaften zu pflegen. In der Regel sind daran nicht mal Konflikte schuld, es entwickelt sich einfach so. Gerade bei Schauspielern passiert es oft, dass man während der Arbeit ein sehr intensives Verhältnis entwickelt. Aber danach verliert man sich aus den Augen. Auf Dauer geblieben ist mir etwa eine Handvoll guter Freunde, die ich auch mitten in der Nacht anrufen kann, wenn es klemmt.
Und Ihre Serienkollegen? Stellt sich nach so langer Zeit nicht eine Art Familiengefühl ein?
RÜHMANN: Es ist eher wie in der Theaterkantine. Mit Kollegen, mit denen man intensiv zu tun hat, setzt man sich an einen Tisch, die anderen sitzen eben woanders. Aber ja, natürlich mögen wir uns, haben eine schöne Kollegialität und arbeiten gut miteinander. Das ist unser Erfolgsgeheimnis.
Und Ihr privates Familiengefühl? Sie sind ja Patchwork-Papa.
RÜHMANN: Patchwork trifft es nicht. Ich habe zwei erwachsene Töchter, die aber längst aus dem Haus sind und in Berlin wohnen. Mit meiner zweiten Frau und unserem 14-jährigen Sohn lebe ich in Leipzig.
Haben Sie große Theater-Pläne für die Zukunft?
RÜHMANN: Ich liebe es, im Garten zu sitzen und die Natur zu genießen. Aber natürlich habe ich noch jede Menge Ideen notiert, die ich mit meinem Theater angehen will. Ich versuche, Neues zu entdecken, auch wenn ich vermutlich nicht mehr alles realisieren werde.
Noch mal alle Zelte abbrechen und wie 1989 ein neues Leben beginnen — reizt Sie das?
RÜHMANN: Ich hätte mir 1988 nicht vorstellen können, dass ich eines Tages beim Reisen die Qual der Wahl haben würde. Und finde es absurd, dass ich mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall noch immer nur einen Bruchteil dieser Welt kenne und mir noch nicht mal einfällt, wo ich gern hinfahren möchte. Nein, ich will hier nicht weg. Ich fühle mich diesem Land sehr verbunden.
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