Schmerzmittel und Fiebersäfte für Kinder sind knapp, Anfang 2022 fehlte das Brustkrebsmittel Tamoxifen und auch Impfstoffe waren in der Vergangenheit immer wieder nur schwer zu bekommen. Warum?
Hier finden Sie Infos zur aktuellen Situation und Einschätzungen von Dr. Jan-Peter Jansen, dem Ärztlichen Leiter des Schmerzzentrums Berlin.
Wie dramatisch ist die Situation?
Dr. Jansen: „Das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) listet heute aktuell 339 handelsübliche Arzneimittel auf, die nicht lieferbar sind. Das sind aber bei insgesamt über 100.000 Medikamenten in Deutschland natürlich nur einige wenige.“
Gründe für den Mangel
Schlagzeilen machen vor allem auch die Lieferengpässe bei den Schmerzmitteln Ibuprofen und Paracetamol in Form von Fiebersäften für Kleinkinder. Die Gründe sind vielschichtig: Zum einen gibt es immer weniger Hersteller, die Präparate produzieren. Denn das lohnt sich schlichtweg für die Pharmaindustrie in Deutschland und Europa nicht. Die Unternehmen lassen die Wirkstoffe lieber in Ländern wie Indien oder China von einem einzigen Hersteller in Massen produzieren, um den Preis niedrig zu halten. Kommt es dann zu Problemen in der Produktion, gehen die Vorräte weltweit rasch zur Neige.
Der hohe Preisdruck wirkt sich auch noch auf andere Weise aus: Rasant steigende Wirkstoff- und Produktionspreise machen bei eingefrorenen Preisen die Produktion von Arzneimitteln wie Paracetamol-Säften immer mehr zum Verlustgeschäft. Wenn dann immer mehr Anbieter wegfallen, muss auf einmal ein Konzern 90 Prozent des Bedarfs abdecken – wie nun beim Pharma-Riesen Teva mit seiner Marke ratiopharm geschehen. Als aktuell einziger große Anbieter von Paracetamol-Saft in Deutschland hat nun auch Teva mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen.
Und manchmal funktioniert schlicht die Verteilung nicht gut genug, sodass mancherorts Impfdosen und Co. in Kühlschränken liegen, die anderswo gebraucht würden.
Was kann ich tun, wenn mein Medikament nicht lieferbar ist?
Dr. Jansen: Wenden Sie sich bitte zunächst an den verordnenden Arzt. Der kann ähnlich wirksame Medikamente verordnen, so dass Sie nicht auf die spezielle Wirkung Ihres Medikamentes verzichten müssen. In der Regel gibt es keine oder nur wenig Probleme, wenn ein Wirkstoff kurzfristig ausgetauscht werden muss. Darauf kann eigentlich jeder Arzt entsprechend reagieren und ist darin „geübt“, wenn beim Patienten Nebenwirkungen auftreten.
Wo kann ich mich informieren und auf dem Laufenden bleiben?
Dr. Jan-Peter Jansen, Schmerzzentrum Berlin
Hier liefert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einen Überblick über aktuelle Lieferengpässe.
Apothekerinnen und Apotheker sollen außerdem häufiger Säfte und Präparate selbst herstellen, denn die Wirkstoffe an sich sind in der Regel nicht knapp. Die Mehrkosten für eigens in der Apotheke hergestellte Rezepturen werden erstattet, so Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD): „Das ist weder für den Arzt noch den Apotheker ein wirtschaftliches Risiko.“ Dasselbe gilt für Präparate, die preislich über dem Festbetrag liegen.
Warnung vor Medikamenten-Tausch
Tauschen Sie Medikamente nicht einfach, beispielsweise auf „Arzneimittel-Flohmärkten“, wie es kürzlich der Ärztekammer-Präsident angeregt hatte. Gegen ihn läuft mittlerweile eine Strafanzeige, die der Medizinische Behandlungsverbund (MBV) am 19.12.2022 erstattet hatte. Grund: Die „Empfehlung“, respektive Aufforderung zu Abgabe von Medikamenten sei ohne Hinweis auf Altersbeschränkungen, ohne Eingrenzung auf die Art von Medikamenten und vor allem „ohne Hinweis auf die Gefährlichkeit solchen Treibens im Angesicht der Gesundheitssorge betroffener Menschen“ erfolgt.
Warum gibt es eigentlich manchmal Lieferengpässe beim Grippe-Impfstoff?
Das hat vielfältige Gründe: Beim Grippe-Impfstoff liegt es oft daran, dass viele Menschen zu spät zur Impfung gehen, etwa im Februar, wenn der Impfstoff schon abverkauft ist. Empfohlen wird deshalb, dann zum Arzt zu gehen, wenn der Grippe-Impfstoff verfügbar ist, nämlich im September oder Oktober. Dann sollten sich vor allem diejenigen impfen lassen, die über 60 sind – so wie es von der Ständigen Impfkommission empfohlen wird.
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