Ja, sagt die promovierte Diplom-Biologin und Ernährungswissenschaftlerin Dr. Andrea Flemmer aus München. Der Grund: Für die Erzeugung biologischer und ökologischer Nahrungsmittel herrschen strenge Regeln.
Experten-Interview „Ist Bio gesünder?“
Frau Dr. Flemmer, was ist der wichtigste Unterschied zwischen konventionell hergestellten Lebensmitteln und solchen, die nach ökologischen Kriterien produziert wurden?
FLEMMER: Bio bedeutet, dass die Lebensmittel grundsätzlich – also zu 100 Prozent – aus der ökologischen Landwirtschaft stammen. Zu deren Richtlinien gehört die Gesunderhaltung des Kreislaufs Boden – Pflanze – Tier – Mensch. Dazu kommen Regeln zur artgerechten Tierhaltung. Das bedeutet, es dürfen nur eine begrenzte Anzahl von Weidetieren pro Fläche eingesetzt werden. Gentechnik ist ausgeschlossen, Kunstdünger und Pestizide sind verboten und vieles mehr.
Und diese Richtlinien gelten für alle Biobetriebe?
FLEMMER: Ja, davon können Sie ausgehen. Wobei ich sagen muss, dass dies nur die Mindest-Standards sind, also die die Richtlinien der europäischen Bioverordnung. Viel strenger sind die Regeln der jeweiligen Anbauverbände wie beispielsweise Demeter oder Naturland.
Und sind diese Bio-Lebensmittel, auch wirklich gesünder als konventionelle?
FLEMMER: Eine Studie der Uni Newcaste hat das bewiesen. Das Forscherteam um den Biolandwirtschaftsprofessor Carlo Leifert hat nach aufwendiger Auswertung von 343 Untersuchungen festgestellt, dass Biolebensmittel im Schnitt 19 bis 69 Prozent höhere Konzentrationen von sechs Antioxidantien enthalten als konventionelles Essen.
Können Sie das etwas genauer erklären?
FLEMMER: Die Studie konnte eindeutig beweisen, dass Bio-Obst sowie -Gemüse über 40 Prozent mehr Antioxidantien aufweist als konventionelles Obst und Gemüse. Sie schützen die Körperzellen vor dem Angriff freier Radikale, stärken das Immunsystem, hemmen Entzündungen und besitzen eine lebensverlängernde Wirkung. Besonders deutlich war der Unterschied übrigens bei Milch: Stammte sie von biologisch gehaltenen Kühen so enthielt sie 90 Prozent mehr Antioxidantien und gesunde Fettsäuren.
Also lohnt es sich vor allem bei Milch zur Bio-Variante zu greifen?
FLEMMER: Und bei Fleisch. Ich weiß, heute erinnert sich kaum mehr an den Rinderwahnsinn, die Seuche, die ihren Anfang in Großbritannien nahm. Sie wurde durch das Verfüttern von Tiermehl ausgelöst. Tiermehl darf in der Biohaltung gar nicht vorkommen. Dadurch gab es bei Biotieren auch keinen Rinderwahnsinn. Dazu kommt das Verbot von Massentierhaltung und den zugehörigen Antibiotika. Die Resistenzen gegen diese – ursprünglich sinnvollen Medikamente – kosten jedes Jahr Tausenden von Menschen das Leben – auch bei uns.
Spielt es denn eine Rolle ob man zu günstigen Bio-Lebensmitteln aus dem Discounter greift oder muss es unbedingt das teure Demeter-Produkt sein?
FLEMMER: Sicherlich gibt es bei den Anbauverbänden zusätzliche Regeln, deshalb kosten sie im Schnitt auch 30 Prozent mehr. Aber der Mindeststandard – also keine Pestizide und Kunstdünger – muss bei allen Bio-Produkten eingehalten werden. Ob sie nun aus dem Supermarkt stammen oder aus dem Naturkostladen. Achten Sie auf das Bio-Siegel und lassen sich nicht durch Bezeichnungen wie „kontrolliert“, “umweltverträglich“ oder “ungespritzt“ täuschen. Das bedeutet nicht, das dieses Produkt tatsächlich „Bio“ ist.
Gibt es bestimmte Krankheiten, die sich durch eine Bio-Ernährung beeinflussen lassen?
FLEMMER: Das ist schwierig zu beantworten. Erwiesen ist aber, dass Langzeitfolgen wie Krebs eindeutig den Pestiziden (von griechisch pest = Schädling und cidere = töten) zugeschrieben werden können. So ist die Krebshäufigkeit bei landwirtschaftlichen Berufen deutlich erhöht. Dies liegt am Kontakt mit Schädlingsbekämpfungsmitteln, die letztendlich ja auch auf den Lebensmitteln zu finden sind.
Warum sind Bio-Lebensmittel denn überhaupt so viel teurer als konventionelle Ware?
FLEMMER: Weil der Aufwand mit dem sie erzeugt werden viel höher und der Ertrag geringer ist. Denken Sie nur daran, dass bei Bio-Lebensmitteln nur ein Sechstel der Zusatzstoffe der konventionellen Lebensmittel zugelassen sind. Verboten sind beispielsweise Farbstoffe, Süßstoffe, Stabilisatoren und Geschmacksverstärker. Auch künstliche und naturidentische Aromastoffe sind tabu. Das bedeutet zum Beispiel: Frischkäse oder Joghurt wird nicht mit billiger Gelatine gestreckt oder mit künstlichen Aromen der Geschmack von Erdbeeren verliehen. Es handelt sich um echte, ehrliche Lebensmittel, deren Rohstoffe beste Bio-Qualität haben.
Gibt es denn auch Ausnahmen, also Lebensmittel, wo es auch die konventionelle Ware tut?
FLEMMER: Nun ja, nicht jeder kann und will sich Bio-Lebensmittel leisten. Und bei einigen Lebensmitteln kann man relativ gefahrlos zu konventioneller Ware greifen. Zum Beispiel Kaffee. Und es gibt auch Fertigprodukte, die keine Zusatzstoffe enthalten, beispielsweise die von Frosta. Für mich ist es die Aufforderung das Produkt im Regal stehen zu lassen, wenn es eine E-Nummer in der Inhaltsstoffliste aufweist.
Dr. Andrea Flemmer hat ein Buch zum Thema geschrieben: Bio-Lebensmittel. Warum sie wirklich gesünder sind. Humboldt Verlag 2014, 200 S., 12,99 Euro.
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